mikado als symptom
es gibt zu viele Berühmtheiten, so dass man sich ihre Namen kaum merkt. die digitalen Medien bringen fast jeden ins Licht der Öffentlichkeit, auf virtuellen Bühnen, die so riesig sind, dass die Grenzen zwischen Publikum und Akteuren verschwinden. auf einem youtube-Kanal wird sogar ein Teenie mit der entsprechenden Abonnentenzahl zu einer namhaften Person der Zeitgeschichte. eine relative ist man sowieso, da davon auszugehen ist, dass inzwischen jedes Konterfei kontinuierlich von unzähligen Kameras der Sicherheitsfirmen oder Dokumentarfilmern dokumentiert wird. das Recht am eigenen Bild und selbstbestimmten Lebensprofil kann kaum eingeklagt werden.
die Medien wollen täglich mit Gesichtern gefüttert werden und garantieren dafür, wie es Andy Warhol prognostiziert hat, jedem seine 15 Minuten Prominenz. ob die Vision als demokratische Vision oder als Warnung gemeint war, ist nach wie vor umstritten. eine prosperierende bunte Unterhaltungswelt und das Internet mit seinen Klick-Statistiken suggerieren selbst dem Talentlosen eine kleine Star-Karriere. die Sehnsucht nach Berühmtheit treibt besonders junge Leute an. seit der Kindheit ist Ruhm ein essentieller Wert für sie und der Drang danach wird sie ein Leben lang antreiben. Eltern vermitteln heute Kids, dass sie wichtig sind und es sein müssen. vorzugsweise wollen sie ein Model werden oder divers Kreatives machen. aber wegen dem Gedränge im Scheinwerferlicht stehen fatalerweise nur noch geschätzte fünf Minuten pro kreativen Anwärter zur Verfügung. wer es trotzdem darauf anlegt und sich wagemutig meldet, hat die Chance, auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten im trashigen Fernsehen ausgestellt zu werden. Talentfreiheit und Geistlosigkeit sind kein Hindernis, um vor eine laufende Kamera zu kommen. es reicht, sich daneben zu benehmen, sich auszuziehen oder eine Beziehung zu einem Promi zu haben.
in seiner Jugendzeit gab es selten akzeptable Vorbilder. er lebte in einem kleinkarierten Milieu. daher mussten die Idole aus der Ferne herbeigeschafft werden. er entdeckte sie in Büchern, Filmen und in der bildenden Kunst als auratische Identifikationsfiguren. um aus der Enge einer unmittelbaren Gegenwart herauszukommen, war er zu fast jeder Schandtaten bereit und ist irgendwann ein Künstler geworden, der aus seinen Schwächen und Beschränktheiten etwas über sich Hinausweisendes zu machen versuchte. da solches wenig nachhaltig gelang und die Hoffnung auf künftige Erfolge schwindet, wird er wohl ohne Nachruf so fremd wie er daherkam von dannen gehen. das Bewusstsein der eigenen Bedeutungslosigkeit ist eine ernüchternde Erfahrung, aber dennoch eine erhebende, wenn in der Mitwelt alles um Bedeutung kräht. wer unter diesen Bedingungen ein Verkannter bleibt, der darf sein Leben als ein erträgliches führen.