mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

versagt die Stimme wegen einer Erkältung, muss der Redeschwall aus fremden Mündern unwidersprochen bleiben. seit meiner Kindheit leide ich unter regelmässigen Halsschmerzen, der Rachen ist in den feuchten Monaten schnell entzündet. bereits das Schlucken ohne Reden schmerzt und kein Zitronentee, keine Honigmilch kommt dagegen an. als ich den Tip erhielt, meine Entzündungen mit einer Ingwerwurzel auszukurieren, wurde es noch schlimmer. mein Mund brannte nun wie ein Fegefeuer. erst ein in der Apotheke empfohlener Umckaloabo-Extrakt wirkte nachhaltig und erlöste mich von einem fast schon chronischen Halskatarrh.
als Kind schlürfte ich gern einen Zwiebelsirup, den mir meine Oma bei schlimmen Erkältungen mixte. er schmeckte, half allerdings nicht wirklich. ganz schlimm erwischte es mich später als Jugendlicher am Tag der Abi-Abschlussfeier, so dass ich sie mit einem vornehmen Schweigen überstehen musste. der Morgen begann mit einem leichten Kratzen im Hals und nach einer Fahrt von Cottbus nach Schwerin war die Stimme ganz weg. ich konnte einzig noch nicken, wenn man mich wegen meines guten Zensurenschnittes lobte. das war zu ertragen. bedauerlich fand ich, dass ich meinem Klassenlehrer nichts entgegnen konnte, als er mir erklärte, er hätte mich vor den Prüfungen gern der Schule verwiesen und dafür einen Antrag gestellt. weil ich mich nicht wie alle anderen für ein Studium beworben hatte, nahm ich seiner Meinung nach jemanden, der es mehr verdient hätte, einen Platz weg. heute denke ich, dass ich einen anderen davor bewahrt habe, unter miesen pädagogischen Verhältnissen zu versauern. das Lernen für das Abitur war eine Konditionierung zu einer opportunen Prinzipienlosigkeit. nur mit Distanz konnte man sich dagegen wehren. die meisten meiner Mitschüler haben recht bald ihre Lebensträume begraben. sie fanden sich mit einer Technikerausbildung ab und waren dafür sogar bereit, drei dröge Jahre als Unteroffizier in der Armee zu dienen.
mein Skeptizismus hat mich früh davor bewahrt, Lügen auf den Leim zu gehen, und eine schwache Stimme bei Halsschmerzen verhinderte, auf verschlagene Provokationen hereinzufallen. mein Mundwerk ist zwar wieder kräftig, dennoch ziehe ich es vor, lieber zuzuhören als in Gespräch dazuzugehören. es gibt zu viele Besserwisser, mit denen nicht zu diskutieren ist und denen ich zuweilen ein schwaches Stimmband wünsche. sie haben augenblicklich immer Recht und wenn nicht, werden sie zu Labersäcken, um ihr Recht zu bekommen. sie reden sich um Kopf und Kragen, so sie stundenlang darüber disputieren, wie man richtig korrekt miteinander zu reden hat. in solchen Gesprächskreisen ist feinsinnig keine Anspielstation zu finden. nicht einmal der Freiraum für Selbstgespräche bleibt mehr.