mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

die einfache Sprache setzt sich durch, unmerklich auf Displays, beim verbalen Kommunizieren sowieso und in den täglichen Gazetten schleichend. wer in kurzen Sätzen und mit einfachen Worten etwas zu sagen hat, ist im Vorteil. er teilt sich bei einer knapper werdenden Aufmerksamkeit schneller mit. mir gelingt dies selten, mithin ich für viele Menschen zu erratisch kompliziert bin. sie wollen mich weder Lesen noch Anhören, weil ich arge Fremdwörter oder eigene semantische Erfindungen verwende. auch behagt manchem nicht, dass ich am alten Dativ und einem Vokabular aus der Zeit von Wieland festhalte. letzteres habe ich mir mit Vergnügen angelesen und die Grammatik wurde meinem Jahrgang in der Schule sehr ausführlich eingebläut. wöchentlich waren Diktate zu schreiben und Fehler wurden vor der gesamten Klasse moniert. bei meinem jüngsten Sohn sind es Ratespiele im Deutschunterricht, bei denen Wörter collagiert zuzuordnen sind, und fatalerweise funktioniert ein derartiges Lernen nicht so gut, wie es sich die Pädagogen vorstellen. die Rechtschreibung und der sprachliche Ausdruck sind bei Aufsätzen haarsträubend konfus.
der zeitgenössische Teenager verständigt sich ohne Präpositionen und Artikel. nicht mehr nur die Migranten, sondern Muttersprachler aus allen sozialen Schichten halten Sätze so salopp, wie sie behende sich in virtuelle Tasten tippen lassen. irgendwann wird der Duden jenen Minimalismus als pragmatische Sprachentwicklung entdecken und wie bereits einiges Verkürzte und Verstümmelte sanktionieren. man denke nur an die letzte Rechtschreibreform und deren nachfolgenden Reformierungen. als Dauergequatsche und schnelle Empörungsrhetorik setzt sich die vereinfachte Syntax durch. Journalisten haben sich lange gegen die Reorganisation der Sprache gewehrt und sind mählich eingeknickt. sie wollen wie die Lektoren von Verlagen keine Verwirrung bei jungen Lesern stiften und natürlich nicht für konservativ gehalten werden.
komplexe Assoziationen in Gedichten verstehen wohl einzig Menschen, die selber assoziativ komplexe Gedichte schreiben. sie haben ihre eigenen Geschmacksstandards und dafür die Poesie als Schutzraum. populäre Lyrik gibt es seit Rilke höchst selten oder nur bei telegenen Liedermacher. im allgemeinen hat es die Lyrik schwer und sie kann nicht mehr auf den zukünftigen Leser hoffen. er wird, geht es so weiter mit dem gemeinen Kommunizieren, ein Mischmasch von Sprachen sprechen und Texte aus der Vergangenheit kaum ohne Hilfen oder Übersetzungen verstehen. die Zukunft wird der leichten Sprache gehören. für sie liegt inzwischen ein Gütesiegel vor, welches sicherstellt, dass Texte tatsächlich leicht und gut verständlich sind. im Alltags-Sprech setzte sich unkontrolliert das Radebrechende durch. dafür habe ich kein Verständnis und keine Sprechzeiten. leider auch keine Sekretärin, die es vermittelt. also muss ich mich erklären und bin dann in irgendwelchen Kaschemmen auch ein Schläger des Schaums. doch einer, der die Blume beim Pils zu schätzen weiss und dementsprechend das Eingiessen in Gläser zelebriert.