mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

wenn es stimmt, wird er mindestens 97 Jahre alt. ein Test hat es ihm ausgerechnet. auf einer Webseite waren Fragen zur Ernährung, zum sportlichen Fleiss und zum Alkoholkonsum zu beantworten. er schummelte nur ein bisschen bei letzterem und der wöchentlichen Arbeitszeit, da er ein zu frühes Todesdatum befürchtete. dass aber ein so später Termin seines Ablebens ermittelt wurde, verblüffte ihn. er kann sich nicht vorstellen, wie er eine so lange Zeit noch füllen soll. schon jetzt fällt es schwer, gegen eine aufkommende Langeweile anzukämpfen.
muss er, nachdem die Mitte des Lebens überschritten wurde, vieles erneut durchdenken und seine gekauften Bücher alle nochmal lesen? Probleme, an denen er sich bisher vergeblich die Zähne ausgebissen habe, werden nicht einfacher und die Zähne mit ihren Plomben oder Kronen morscher. mit herangereiften Erfahrungen neigt er dazu, dem Kniffligem auszuweichen und sinniert lieber auf einer weichen Matratze ins Leere. bei seinen Eltern war sie eine harte mit Pferdehaar gefüllte. sie hatten wenig Zeit zum Schlafen und Nachdenken. er schon und deshalb braucht er eine bequeme horizontale Lage. das Dösen ist eine unabdingbare Grundlage für geistige Herausforderungen, und ein guter Schlaf ebenso, wenn ein ausbleibender oder schlechter das schöpferische Arbeiten hemmt. seit einiger Zeit schafft er es nicht mehr ohne Ohrstöpsel. die Familie ist am Morgen zu laut und irgendwo tönt immer etwas sogar nach Mitternacht dröhnend, debbernd oder zerscheppernd. in jungen Jahren stimulierten ihn schlaflose Nächte, da sie ein inniges Ausbrüten von Gedanken waren. mittlerweile wartet er in schlaflosen Nächten auf ein Verdämmern der Zeit. vielleicht sollte er sich von einem Heilpraktiker schröpfen lassen, damit das Blut zur Ruhe kommt.
wegen anhaltender Rückenschmerzen hat er früher auf dem Fussboden seine Sehnen gestreckt und die Durchblutung aktiviert. inzwischen versucht er, mit einer morgentlichen Gymnastik Verspannungen zu lösen und schätze weiche Polster für das Ausruhen. eine teure Futonmatratze, die einst ein Geschenk zur Hochzeit war, wurde vorschriftsmässig jeden Tag zusammengerolltgerollt, damit sich nichts stauchte und durchlag. doch irgendwann drückte sie unangenehm und seitdem bevorzugt er wieder die klassische Unterlage mit Federkernen, welche nicht nur weich ist, sondern nachhaltig eine Form hält. die teuren ergonomischen Kaltschaummatratzen oder stark beworbenen Boxspringbetten garantieren das nicht. sie sind mit vielen geschichteten Polsterungen nach ihrer Garantiezeit verschlissen. dennoch werden sie massenweise gekauft, von Frauen sicherlich, welche wie die Prinzessin auf der Erbse ruhen wollen.