mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

ein permanentes Chaos kann nichts Geordnetes sein und doch als komplexe Systematik Bestand haben. es ist eine Frage des Standpunktes oder des Alters, aber keine verhandelbare Ansichtssache in einem Kinderzimmer. seins sollte er immer samstags aufräumen, und lehnte es ab. nicht aus Faulheit, sondern weil er wähnte, dass ein kreatives Genie das Durcheinander braucht. seine Mutter hat seinen Drang nach Kreativität nicht akzeptiert, es gab immer Streitereien und am Ende zog er den Kürzeren, wenn sein Vater es für ihn besorgte. er wollte ihm beweisen, wie geschwind es geht und brachte viel durcheinander. seine Hilfe war eher ein demonstrativer Vorwurf als eine Unterstützung.
bei den eigenen Söhnen hat er unauffällig als Heinzelmännchen für Ordnung gesorgt. unentwegt mussten Monster weggeräumt werden, die als Plastikspielzeug die Wohnung vermüllten. er warf sie wie manche alte Bastelarbeit einfach in den Container, ohne dass es auffiel. irgendwann hat er es aufgegeben, Schneisen in einen sich anhaltend vermehrenden Konsummüll zu schlagen. er wollte nicht wie seine Eltern Druck ausüben und hoffte einfach darauf, dass vielleicht seine gut sortierte Bibliothek eine vorbildliche Wirkung ausübt. sie darf niemand durcheinander bringen, die Anordnung der Bücher hat er als Standbild im Kopf abgespeichert und erinnere sich so an die Namen wichtiger Autoren.
der kreative Mensch ist entgegen allen Klischees eine Gewohnheitsmaschine. er braucht besonders in reifen Jahren seinen und keinen anderen Schreibtisch zum Spinnen. es sollte nur nicht immer der gleiche sein. sonst drohen Schreibblockaden. die Türen dürfen dann nicht quietschen, keine Staubfluse einen Niesanfall auslösen. solche Tücken lassen sich einzig durch eine ablenkende körperliche Arbeit ertragen und meist wird in einer Pause die Wohnung geputzt. die hinterlassenen Spuren müssen sowieso beseitigt werden und besonders in der Küche, sonst wird es unhygienisch. in den Schränken bereitete sich vor einigen Jahre wegen einer alten Bettwäsche ein Muff aus. nachdem er sie in die Waschmaschine reinigte, verteilte sich das Übel rasant auf andere Kleidungsstücke. es wurde alles ausgiebig mit Essigwasser gespült, der Schrank bekam Zuglöcher und die Fenster werden seitdem morgendlich geöffnet. der Mief von Schimmelpilzen, welche sich gern im Staub vermehren, dehnt sich schleichend aus. so wie der Stumpfsinn im Kopf, der ebenso täglich auszulüften ist. unterlässt er es aus Bequemlichkeit oder Angst vor einer Erkältung setzten sich Schweisszustände und Angstpartikel fest.