mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

mit einem Namensschild auf der Brust muss jeder ein höflicher Mensch sein. das ist sogar bei vermummten Polizisten so. diejenigen, welche nicht nett sein wollen, weil sie auf Demos gern brutal austeilen, lehnen eine öffentliche Benennung ab und tragen eine Nummer. es ist die ihrer Einsatzgruppe, damit bei Übergriffen eine Anzeige ins Leere läuft. wer für die öffentliche Sicherheit arbeitet, sollte eigentlich als Respektsperson für sich einstehen, aber das wollen die wenigsten Uniformierten. eine Verkäuferin in einer täglich besuchten Edeka-Filiale wehrt sich auch gegen eine etikettierte Offenbarung ihres Namens. alle anderen Angestellten tragen ihren gut lesbar am Kittel, nur sie nicht. dabei weiss jeder, der hier regelmässig einkauft, wie sie heisst.
bei fast jeder Dienstleistung ist ein Namensschild inzwischen obligatorisch. der Hotelportier, der Bankangestellte am Schalter, die Ticketdame am Flughafen und Kassierer zeigen, wer sie namentlich sind. dies soll der Kundenbindung dienen. dabei wäre es verbindlicher, den Namen und die Vorlieben der Stammkunden zu kennen und sie persönlich damit anzusprechen. stattdessen werden Rabattkarten für ein Punktesammeln verteilt, um private Internas auszuspähen. sie speichern Kauf- und Lebensgewohnheiten, die mit der eigenen Adresse autorisiert werden. eine solche Praxis stösst auf wenig Gegenliebe, auch ist es umständlich und lässt die Schlangen an der Kasse wachsen, da meist Rentner digitale Boni sammeln. sie sind es noch von den Konsummarken in der DDR gewohnt. bei jungen Menschen ist der Drang nach Anonymität gross und wird mit einer Meinungsfreiheit verbunden, die manche primär auf diese Weise praktizieren. beim Diffamieren in den sozialen Medien meinen sie inkognito agieren zu können, obwohl sie überall von digitalen Protokollen verortet und zugeordnet werden.
das Internet ist tatsächlich das unanonymste Medium, wo jede kleinste Aktion irgendwo dokumentiert wird. davor schützen kein Fake-Account und keine Troll-Masken. bisher garantiert allein die schiere Überzahl an verbalen Entgleisungen, dass arge Beleidigungen straffrei durchgehen. daran wird sich nichts ändern, wenn der Staat die online-Kommunikation stärker überwacht und Moralapostel mehr sprachliche Verantwortung als Political Correctness einfordern. da wir in einer absehbaren Zukunft mit unterschiedlichsten Ethnien und Religionen in engeren urbanen Räumen auskommen müssen, wird sie sich wohl allmählich durchsetzen. die Gefahr, dass Beleidigungen, und auch die unabsichtlichen, schwer zu kalkulierende soziale Kettenreaktionen auslösen wächst und ist irgendwann nur noch mit einer hohen Frustrationsrate oder mit dem Null-Toleranzgebot zu bewältigen. letzteres wäre dann sicherlich das Fegefeuer.