mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

hat er an einem einsamen Wochenende seine Ruhe zum Arbeiten, fällt ihm fatalerweise nichts ein. sein Grübeln verharrt bei schönster Stille in einem Leerlauf. die Gedanken spriessen erst wieder, wenn er durch die eigene Familie oder einen unverhofften Besuch abgelenkt wird und er Einfälle nicht ausformulieren kann. er hofft dann, dass sie nicht verloren gehen und verharrt teilnahmslos in unvermeidbaren Geselligkeiten. manchmal ist die nervende Ablenkung auch eine gute Entschuldigung dafür, dass ihm nichts gelingt. der Kopf ist leer und heilfroh, wenn er sich selbst nicht die Schuld geben muss. somit ist es besser, eine Familie um sich zu haben. hier braucht er nicht dauerhaft kreativ zu sein. Ideen können so lange aufgeschoben werden, bis sie als reife Frucht ausdrückbar vom Baum fallen.
er hat bereits einige Künstler ohne Werk kennengelernt, die ein Arbeiten immer auf später verschoben haben. solange sie kein richtiges Atelier hatten, konnten sie nicht ihre Bilder malen. also wurde eins unter dem Dach eingerichtet und über Jahre aufwendig ausgebaut. oder sie jobbten fleissig und wollten mit ihrem ersparten Geld sich einmal eine richtig freie Künstlerexistenz leisten. es war aber nie genug Geld für ein unabhängiges Schaffen beiseite gelegt worden, so dass sie keinesfalls in die Verlegenheit kamen, etwas beweisen zu müssen. heute werden von solchen Leuten Plauderblogs geschrieben und in Cafés endlose Debatten über die Zukunft der Kunst geführt. das lenkt ab und erlaubt es, den genialen Wurf permanent aufzuschieben.
bei immer höheren Lebenskosten wird das Aufschieben von Lebensplänen irgendwann zu einem Dauerzustand. es muss vermehrt für andere als Dienstleister in der Werbebranche gearbeitet werden, um die Miete zahlen zu können. doch stört es wenig, da hier die simpelste Tätigkeit als ein schöpferischen Akt gilt. seitdem das Kreative zu einem Diktum aufgeblasen wurde, erheischt, egal wie selbst- oder fremdbestimmt eine Selbstverwirklichung sich generiert, fast jedes Jobben im Medienbetrieb eine Anerkennung. wo sie ausbleibt, klopft man sich selber lobend auf die Schulter. für den freien Künstler ist es heute beschirmender, das beste für sich zu behalten. es muss nicht preisgegeben werden, dann kann es niemand ignorieren. solche Rückhalte haben etwas Saturiertes an sich, etwas gefährlich Einlullendes. wähnt er sich im eigentlichen Dunstkreis zu selig, schüttet er sich deshalb ab und an kaltes Wasser ins Gesicht.