mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

zum Aktzeichnen ist er als junger Mann gern gegangen. es posierten hier junge weibliche Modelle, deren Rundungen man ungestört besehen konnte. er malte sie in einem Dresdner Malkurs und hat dort Wichtiges gelernt. es musste schnell gehen, da die nackten Modelle angespannte Positionen einnahmen und darin nicht lange verharrten. in zehn Minuten war das Wesentliche einer Körperhaltung ohne einen korrigierenden Radiergummi zu umreissen, also unkontrolliert schwungvoll. es klappte bei seinem Hang zur Perfektion nicht sofort, erst allmählich erfasste der Blick die markanten Linien. er hat sich mit der Zeit darin perfektioniert und seinen Blick trainiert. in seinem Umfeld kann er Menschen zwar nicht trefflicher einschätzen, er fällt immer wieder auf die falschen herein, doch gelingt es ihm, ad hoc Signifikantes zu sondieren. das macht vor allem Sinn, wenn der Computer mir hyperkomplexe Strukturen generiert, die danach zu begutachten und für die eigene Produktion weiterzuentwickeln sind.
sein tägliches Notieren von Ideen und gerinnenden Gedanken hat der Malkurs auch beeinflusst, denn er formuliert gern schlagfertig. deshalb häufen sich Zettel an, die Spontanes festhalten. Gekritzeltes wird später verworfen, korrigiert oder weiter ausformuliert. manchmal ist nur ein Komma einzufügen oder Unleserliches neu zu erfunden. er will nichts erzwingen und lässt es sporadisch wachsen, auf dass etwas Grossem wuchert. mit Stipendien abgesicherte Doktoranden, die rastlos in Bibliotheken sitzen, um ein weitschweifiges Machwerk zu verfassen, verlieren bald ihre Leidenschaft. somit schreiben sie dröge Sätze auf, die niemand freiwillig lesen will. sie zitieren zu viel und kommen als Buchhalter eines universitären Wissens selten zu eigenen Gedanken.
ihm ist das Leidenschaftliche beim Arbeiten wichtig. das war bereits in seiner Teenie-Zeit so, als er mit viel Eifer und überschäumender Phantasie Briefe an zahlreiche Freundinnen verfasste. hier konnte er sein poetisches Talent ausleben und stiess nicht nur auf Verständnis, sondern auf Seelenverwandtschaften. ein Tagebuch führte er nicht, er schrieb lieber ingeniöse Briefe und verschickte sogar welche in russischer Sprache an eine attraktive Komsomolzin. seine Zeilen an sie waren phrasenhaft abgefasst, weil aus vorliegenden Musterbriefen abgeschriebene. in der Schule bekam man die Adressen für solche Korrespondenzen, um eine deutsch-sowjetische Freundschaft zu stärken. insofern es aber sprachlich kaum zu einer richtigen Annäherung kam und ein Besuchen bei zu grossen Entfernungen unmöglich schien, blieb ein solches Ansinnen erfolglos. in der Muttersprache ist sein Schriftwechsel sogar bei e-Mails originell formuliert. er schreibt seine Zeilen gern als eine literarische Post und hat dann immer mindestens einen aufmerksamen Leser für seine Einfälle.