mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

der Letzte muss das Licht löschen. in seiner Familie ist er es, der nach Mitternacht die Lampen und Bildschirme ausschaltet. er arbeitet gern ungestört am Ende eines Tages, also dann, wenn die Familie schlummert und keinen Lärm mehr verbreitet. steht er gegen neun auf, ist eine Festbeleuchtung in einer verwaisten Wohnung von einem teuren Ökostromnetz zu trennen. dabei werden im Winter ausserdem die Heizkörper abgedreht, damit die Betriebskosten nicht in die Höhe schnellen. er darf für jenen Dienst nicht zu spät das Bett verlassen und will es gar nicht, da man ansonsten nicht richtig in die Bütt kommt und das Kreuz verspannt schmerzt.
er beginnt zwar erst am Nachmittag zu arbeiten, muss allerdings dann fit sein. im Kulturbetrieb bestimmen inzwischen gewiefte Eventmanager den Takt der kreativen Arbeit. sie legen wie Hausverwalter im urbanen Umfeld fest, mit welchen Ausstattungen als Ajourierungen man zu leben hat. dagegen ist schwer anzukommen. er hat mal ein halbes Jahr gegen jemanden, der Wohnanlagen verwaltete, Schach gespielt. oder besser gesagt, er hat es versucht. sein Gegner hat nie etwas riskiert, nur auf Fehler gelauert, die garantiert aus Langeweile oder Übermut sich einstellten.
bei unkonventionell arbeitenden Kulturvereinen ist es häufig ein Insolvenzverwalter, der freie Projekte zu einem Ende bringt. ein paar von ihnen lernte er bei Jobs in Kulturvereinen kennen. sie sind nette Anwälte und alle Beteiligten sind nett zu ihnen, auf dass das Improvisieren nicht zu früh aufhört und kreative Projekteschinder weiterhin mit- und gegeneinander ringen können. günstigstenfalls gelingt es noch ein paar Monate, sich mit frisierten Bilanzen und vagen Hoffnungen durchzuschummeln. nur irgendwann ist unmissverständlich Schluss und das Licht wird für immer gelöscht, wenn es nicht vorher bereits wegen ausstehender Rechnungen vom Stromlieferanten besorgt wurde.
eigentlich würde es ausreichen, wenn sich die Bürgermeister in den grossen Städten dazu entschliessen könnten, den Strom von den vielen urbanen Anleuchtungen für Kulturleute einzusparen. es werden mittlerweile fast alle monumentalen Bauten in der Nacht bunt angestrahlt. das Abschalten müsste eine ordentliche Summe Geld ergeben und würde auch für eine angenehm heimeligere Atmosphäre sorgen. der Lichtsmog bringt nicht nur Menschen um ihren tiefen Schlaf, er verwirrt gleichfalls die Vogelwelt, die irgendwann fernbleibt. besonders hohe Gebäude sind mit ihrer Lichtshow für Rotkehlchen und Singdrosseln bei der Orientierung ein Problem. wenigsten in den Stunden nach Mitternacht könnte jener Strom eingespart und für mehr Kulturtransfer ausgegeben werden. es dürften aber nicht Projekte von Lichtperformern wie jetzt bei einem Festival of Lights finanziert werden. sie irritierten und verhunzen die Stadt zu arg.