mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

als Kind machte er gern Sachen kaputt. aber nicht mutwillig, nur um das Innenleben von Dingen zu erkunden. Spielzeugautos, Uhren, Radios und der Trafo seiner elektrischen Eisenbahn wurden aufgeschraubt und zerlegt. das Zusammenbauen klappte selten, oder erst durch die Hilfe seines entrüsteten Vaters. in der Kunst ist er dem Prinzip der Dekonstruktion treu geblieben. Bilder, die ihn in einer Ausstellung überzeugen, zerschneidert er in Gedanken, um ihre Komposition zu ergründen. für digitale Arbeiten sind es vorliegende Programmierungen, die zerhackt werden. danach arbeiten sie nicht mehr so, wie sie angelegt sind und produzieren chaotische Verwicklungen, welche sich auf dem Bildschirm verballhornen. besonders bizarren Verwerfungen werden analysiert und weiterentwickelt.
lange Zeit träumte er davon, die Bestsellerliste im Spiegel zu hacken, so dass hier statt Ratgeberbücher auch eine instruktive Lyrik und Philosophie angepriesen werden. oder er stellte sich vor, die zahlreich flimmernden Fernseher in einer Technik-Filiale so zu manipulieren, dass sie experimentelle Videokunst zeigen. auf diese Weise wäre eine grössere Reichweite als in Ausstellungen zu erreichen und die Volksseele direkter zu sensibilisieren. Kunstinstallationen im urbanen Raum waren mit Interventionen ja einst ziemlich erfolgreich. sie haben ausserhalb von Museen ein Publikum gefunden, dass sich schnell verblüffen liess. aber irgendwann wurden ebenso Erwartungshaltungen bedient, um weiterhin eine Aufmerksamkeit und Fördergelder zu bekommen. ihm ist es bei einigen Projekten zumindest so ergangen. seinem Bemühen eigenständig experimentell zu bleiben, war langfristig kein Erfolg beschieden. und vielleicht soll es so sein, dass Schlechtes bis zum völligen Überdruss gezeigt wird. allmählich wächst dann wieder das Bedürfnis auf Besseres. das Gegenteil ist mitunter erfolgreicher.
das gilt auch beim Schreiben. vage improvisierend testet er Gegenteiliges bei Formulierungen aus, um es noch mal in sein Gegenteil zu verwandeln. wobei ihm nach wie vor unklar ist, was das Gegenteil vom Gegenteil überhaupt sein soll. wahrscheinlich etwas absolut Gegenteiliges. in der Kunst- und Textproduktion lässt sich jedenfalls Komplementäres ausgiebig intensivieren, es erzeugt dramatische Spannungen, die ausgebaut werden können, auf dass der Arbeitsprozess nicht abreisst. mit einer permanenten Negation geht er im Übermut über vorliegende Bestimmungen hinaus. zu redundant Dürftiges kann weggeschabt, neu strukturiert werden, auf dass sich die Vergangenheit in Progressionen relativiert. mit dem zu lebenden Leben gelingt es nicht. in Alpträumen wird er von peinlichen Erinnerungen unentwegt eingeholt. sie lassen sich zwar für eine akzeptable Interpretation negieren, doch nicht in Gegenteiliges transformieren.