mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

versprechen kann man vieles. einlösen muss man es nicht sofort, irgendwann später reicht auch. seine jetzige Lebenspartnerin hat er mit einem spontan ausgesprochen Tango-Begehren geködert. er hatte sich vorgenommen, es zu lernen, als er nach einer Vernissagen-Nacht in einem Tanz-Studio strandete. hier wurde der Tango fesch elegant getanzt und das beeindruckte sehr. er erinnerte sich an einen Film, den ein Freund in Argentinien gedreht hatte, wo es sogar die ganz Alten beherrschen. laufen konnten sie nicht mehr richtig, den Tango allerdings schwungvoll aufs Parkett legen. als er laut plante, es zu erlernen, erntete er sofort Sympathie, obwohl es nicht beabsichtigt war. seitdem wird es vor ihm hergeschoben, da ihm das Tanzen in festgelegter Laufart nicht liegt und der Zeitplan solches sowieso nicht erlaubt. eine Schnupperstunde in einer Tanzschule hat ihm gereicht, um erneut festzustellen, dass es nicht seinem Lebensgefühl entspricht. er ist ein spontaner Mensch und improvisiert lieber. das geht freilich mit einem Tango nicht, jedenfalls nicht bei einem untalentierten Anfänger.
als Jugendlicher liess er die angebotene Tanzschule ausfallen. seinen Eltern war es eine Kostenersparnis und ziemlich egal, ob er einen Walzer oder die Polka hinkriegte. und ihm ebenso. niemand musste es damals noch beweisen, es reichte aus, in der Disko herumzuhopsen oder später beim Punk Pogo-Sprünge zu jumpen und die der anderen auszuhalten. einzig bei der Feier zur Jugendweihe wurde ein standardisierter Schritt abverlangt, beim obligatorischen Tanz mit der Mutter. er hat sich nicht blamiert, weil er sich von ihr führen liess. das dürfte sie ansonsten nie und wäre ihm bei ihren Vorstellungen schwer bekommen. bei der folgenden Disco-Musik bevorzugte er dann wieder das wilde Abhotten, so wie es bis heute üblich ist, wenn nicht der DJ einen steriler Techno abspielt.
das Leben bedingt den freien Tanz. er war dem Menschen schon im Paläolithikum ein notwendiges Bedürfnis. der schwer zu bewältigende aufrechte Gang konnte anfangs bestimmt nur tänzelnd bewältigen werden und liess, gut choreographiert, tribale Gemeinschaften grosser erscheinen, auf dass Feinde vor ihnen flohen. das Selbstbewusstsein hat dabei vielleicht entdeckt, dass es in der artistischen Täuschung überzeugender besteht. so ein Dasein als ästhetischer Schein bestens auf Mitklang kommt, hat sich bis heute daran wenig geändert. der autonome Lebensstil präferiert freilich weiterhin eine ungestüme Gangart, und keine festgelegte Schrittfolge wie beim Tango, den er noch immer nicht beherrsche, um sich nicht von seinem körperlichen Unvermögen beherrschen zu lassen. er schaut lieber zu, wie andere es vermögen. für den nächsten menschlichen Quantensprung bedarf es wahrscheinlich eine andere Bewegungsform. vermutlich eine mit Warp-Antrieb, welche Raum und Zeit mannigfaltig wegtanzt.